Die gute Nachricht lautet: Der Mindestbeitrag für ExistenzgründerInnen sinkt von 423 Euro nicht nur auf 211 - wie eigentlich gefordert worden war - sondern auf 188 Euro.
Der VGSD hatte es jahrelang gefordert und in vielen Gesprächen mit den Parteien über die schlechten Regelungen aufgeklärt. Letztendlich hat die SPD die Vorschläge des VGSD aufgenommen und die CDU/CSU davon überzeugen können, dass eine grundlegende Reform notwendig ist. In einer gemeinsamen Stellungnahme im laufenden Gesetzgebungsverfahren waren dann weitere Verbesserungen durchgesetzt worden: Der erste Vorschlag bestand darin, die Mindestbemessungsgrenze nicht nur von 2.284 auf 1.142 Euro zu halbieren, sondern bei der Gelegenheit gleich auf 1.015 Euro, um damit künftig auf die Unterscheidung zwischen haupt- und nebenberuflicher Selbstständigkeit verzichten zu können, die sonst weiterhin mit viel Bürokratie verbunden wäre. Dadurch sinkt zum Jahreswechsel 2018 auf 2019 der Mindestbeitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung nicht nur von 423 Euro auf 211, sondern auf 188 Euro. Das ist eine Beitragsreduzierung um 56 Prozent! Der zweite Vorschlag bestand darin, dass uns Selbstständigen bei Bezug von Krankengeld (ab der 7. Woche) und bei Bezug von Eltern- und Mutterschaftsgeld nicht mehr der Beitrag auf das fiktive Einkommen abgezogen wird. Ein u.E. besonders empörender Missstand, der in diesem Zusammenhang unbedingt gelöst wurde: Denn bisher wurde "hauptberuflich" Selbstständige, die unterhalb der
Mindestbemessungsgröße verdienen, bei längerer Krankheit dann Krankengeld auf Basis des niedrigeren tatsächlichen Verdienstes erhalten. Aber: Auch während der Krankheit wurden weiterhin Beiträge auf die – ja gar nie verdiente – Differenz zwischen Mindestbemessungsgröße und tatsächlichem Verdienst abgezogen. Das ist jetzt nicht mehr so.
Nicht umsonst habe ich bei Seminaren und in Workshops für GründerInnen das Kapitel „Krankenversicherung“ immer mit dem Satz ein: Gleich werden Sie schlechte Laune kriegen – und behalten.
Was war eigentlich das Problem bei der Krankenversicherung für Selbstständige? Ganz einfach: Die Krankenkassen gingen davon aus, dass jeder und jede, die sich selbstständig macht, ein bestimmtes Grundeinkommen hat.
Für hauptberuflich Selbstständige galt eine Mindestbemessungsgrundlage von monatlich rund 2.231 Euro, ab der sich der Beitragssatz nicht weiter verringerte. D.h.: Alle, die sich selbstständig machten, wurden mit einem entsprechenden Beitrag „taxiert“ – mußten diesen also von vornherein bezahlen. Auch dann, wenn sie planmäßig eigentlich weniger Einkommen = Gewinn pro Monat haben werden. Wir rechnen nach: Das bedeutete einen monatlichen Beitrag von 336,92 € pro Monat – ohne Pflegeversicherung. Der Beitragssatz zur Pflegeversicherung ist für alle Mitglieder einer gesetzlichen Krankenkasse gleich: 2,55 Prozent für Beitragszahler mit Kinder, 2,8 Prozent für Beitragszahler über 23 Jahren ohne Kinder. Das kam dann noch oben drauf.
Für Existenzgründer und Härtefälle konnte die Mindestbemessungsgrundlage auf rund 1.487 Euro reduziert werden. Dies wurde z.B. angenommen, wenn ein Gründer oder eine Gründerin den Gründungszuschuss nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I erhalten hat. Entsprechend lautete die Forderung immer wieder nach einer einkommensbezogenen Berechnung des Beitrages.
Woher kam diese Einsicht: Die Versicherer kannten das Problem, die meisten Beitragsschuldner sind kleine Selbständige. Und es wurden und werden immer mehr. Im Dezember 2016 standen die Selbstzahler bei der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nach Tagesspiegel-Recherchen mit sechs Milliarden Euro in der Kreide. Im Januar des gleichen Jahres betrugen die Außenstände noch 4,48 Milliarden. Im Jahr davor lag der der Wert bei 3,24 Milliarden und 2011 bei lediglich einer Milliarde Euro. Die Summe der Beitragsrückstände steigen, wie es regelmäßig vom Spitzenverband der GKV beklagt wird. Ein Grund dafür sei die „finanzielle Instabilität bei freiwillig versicherten Selbständigen“. Anlass genug für drei Bundesländer, im Bundesrat noch 2017 auf Änderungen zu drängen. Die Beitragslast für Solo-Selbständige sei „im Vergleich zum erzielten Einkommen zu hoch“, heißt es in einem gemeinsamen Entschließungsantrag von Thüringen, Berlin und Brandenburg. Zusammengefasst: Das Problem der Solo-Selbständigen mit den Kassenbeiträgen rührt vor allem aus zwei Umständen: Es fehlt dieser Gruppe die Arbeitgeberbeteiligung, sie müssen den Krankenversicherungsbeitrag komplett aus eigener Tasche zahlen. Zum andern - wie schon erwähnt - zur Beitragsberechnung wird einfach ein monatliches Mindesteinkommen unterstellt, von dem viele Kleinunternehmer nur träumen können.
Die Freude über den erreichten ERfolg ist zu Recht groß. Aber es gibt da noch ein Gesetz, welches im Mai 2017 noch verabschiedet wurde und welches am 1.1.2018 gesetzliche Wirkung entfalten wird. Durch einen Bericht des VGSD bin ich darauf gestoßen. Ich erinnere daran: Steigerungen des Gewinns wurden bisher nach dem ersten vorgelegten Steuerbescheid dann für die Zukunft berechnet: Der höhere Beitrag wurde immer erst ab dem Tag, an dem der Steuerbescheid über das entsprechende Jahr dem Gründer zugestellt worden war, neu berechnet. Klar: Die strukturelle Ungerechtigkeit blieb in folgendem Fall: Wenn man einen hohen Gewinn z.B. in 2015 hatte, und entsprechend eingestuft worden war, in 2016 der Gewinn gesunken war, wurde der Beitrag rückwirkend nicht verringert.
Also: Bisher konnte die Krankenkasse den Beitrag dann nur rückwirkend erhöhen, wenn der Steuerbescheid nicht umgehend, sondern mit deutlicher Verspätung der Krankenkasse vorgelegt worden war.
Dies wird jetzt geändert: Die Beiträge gelten insgesamt als vorläufig festgelegt. Bei Vorlage des Steuerbescheides wird zurückgerechnet – also der Beitrag rückwirkend erhöht, wenn es sein
muss. Das kann eine fürchterliche Falle werden. Denkt daran: Eure Steuerberater kennen diese Änderung vielleicht noch nicht - informiert sie und klärt sie auf.